Kommentar zum Tod des externen Psychologen vom 3. Dezember 2014

Kommentar

Am 3. Dezember wurde ein externer Psychologe, der im Auftrag des Jobcenters Rothenburg ob der Tauber eingesetzt wurde, durch einen 28-jährigen Mann erstochen und erlag noch vor Ort seinen Verletzungen. Die genaueren Umstände sind bisher noch unklar.

Dass diese Tat entsetzt und es auch keine Rechtfertigung dafür gibt, dürfte klar sein. Ein Mensch ist zu Tode gekommen und ein Mitgefühl gegenüber den Angehörigen, Freunden und Kollegen ist angebracht. Spekulationen oder gar Häme gehören hier nicht hin. Weder ist das Motiv bekannt, noch das Geschehen im Vorfeld.

Allerdings verwundert es doch sehr, dass die Medien von einem Jobcenter-Mitarbeiter sprechen, der es so jedoch nicht direkt war. Selbst die Bundesagentur für Arbeit schreibt in ihrer Pressemitteilung via Mail vom 3. Dezember an alle Mitarbeiter von einem Psychologen, der für das kommunale Jobcenter in Rothenburg ob der Tauber tätig war.

Mit der Falschbeschreibung des sogenannten Jobcenter-Mitarbeiters impliziert dieser Tötungsdelikt, dass erneut, durch einen eventuellen Arbeitslosengeld II-Berechtigten die Gewalt in den Jobcentern ausufert. Somit findet eine Übertragung des Geschehens auf den Erwerbslosen statt. Die Gefahr besteht nun darin, dass die Arbeitslosengeld II-Berechtigten generell als Täter wahrgenommen werden oder dazu gemacht werden sollen. Ist es nicht vielmehr so, dass das eigentliche System und die damit umgesetzte Agenda 2010 eine Dehumanisierung hervorgebracht hat, die die Menschen zu Verzweiflungstaten verleitet? Nein, das ist keine Entschuldigung oder Reduzierung der Tat. Es soll zum Nachdenken anregen, was die Umsetzung der Agenda 2010 für Verschärfungen mitgeliefert hat.

Insbesondere die Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 führt bis heute zu einer Spaltung in der Gesellschaft, wenn nicht gar zu einer Entdemokratisierung. Die durch Alt-Bundeskanzler Schröder favorisierte Eigenverantwortung lastet auf den Schultern der Erwerbslosen. Diskutiert wird, wer die Opfer und die Täter sind. Je nach Position der Schreibtischseite werden die Begriffe „Opfer“ und „Täter“ passend gemacht. Die Folgen sind Misstrauen und Vertrauensverlust in die Gesellschaft und in die Politik, Verschwendung und Entwertung menschlicher Ressourcen und Fähigkeiten sowie die „Aufrüstung“ von Sicherheitsmaßnahmen innerhalb der Jobcenter. Leider fehlt bis heute gänzlich die offene und ehrliche Diskussion um das unmenschliche System mit der unsäglichen Sanktionspraxis. Zu diskutieren sind: die Zumutbarkeit jeder Tätigkeit, der Verstoß gegen die Menschenrechte, die zum Teil vorhandene Willkür und Rechtsunsicherheit in den Jobcentern, die Verarmung durch Hartz IV und durch den prekären Arbeitsmarkt sowie das durch mit Schuld- und Schamgefühlen gepaarte Angstklima.

Die Gegner sind nicht die Mitarbeiter in den Jobcentern, sondern unser System und dieses muss und darf mit legitimen Mitteln durchaus „bekämpft“ werden. Ziel muss es sein, eine Inklusion zu schaffen, in der die durch die Medien diffamierten Erwerbslosen wieder als Menschen inkludiert werden. Das derzeitige System mutiert die Erwerbslosen zu Objekten, welche entmündigt und bevormundet werden. Das können weder Jobcenter-Mitarbeiter verändern, noch die Erwerbslosen selbst. Es ist die Aufgabe der Politik, der Gewerkschaften aber auch der sogenannten Sozialverbände. Ein Umdenken muss hier erfolgen und solange diese sich verweigern, werden wir weiterhin ein Bild der kriminalisierten Erwerbslosen haben und eine Projizierung falscher Tatsachen. Und das kann es nicht sein!

Siehe auch: Süddeutsche „Absolute Sicherheit gibt es nicht



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