Sozialer Arbeitsmarkt unter dem Deckmantel Null-Euro-Jobs

Mobbing

 

Was macht der Staat, wenn er mit Langzeitarbeitslosen und der zwingend nach außen notwendig gut aussehenden Arbeitslosenstatistik überfordert ist? Er richtet flugs 512 Null-Euro-Jobs ein und verkauft diese als sogenannte „Qualifizierungsmaßnahmen“. So ein bereits ausgeschriebenes „Projekt“ in Hamburg, welches zum 1. Dezember 2014 startet und eine Laufzeit bis Ende November 2016 hat. Die Null-Euro-Jobs sollen gleichzeitig beinhalten: Die „Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt“, die „Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen“, die „Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“ sowie der „Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme“ dienen, so der Duktus der offiziellen Ausschreibung. Mithilfe dieses niedrigschwelligen Angebotes, flankiert mit intensiver sozialpädagogischer Betreuung im Vorfeld von beruflicher Qualifizierung, Ausbildung oder Beschäftigung sowie Lernbegleitung, sollen die Erwerbslosen aktiviert, motiviert und qualifiziert werden. Dabei bedient man sich des Begriffes „produktionsorientierte Tätigkeit“ in den unterschiedlichsten Berufsfeldern. Tischlerei, Küche, Service, Haushalt, Garten- und Landschaftsbau und Farbwerkstätten gehören ebenso dazu wie Zweiradwerkstätten, Schneiderein, Büro, Verkauf und Hilfstätigkeiten im Bereich Print und Medien. Insbesondere die Bereiche Küche und Service mit 176 Plätzen, gefolgt von Garten- und Landschaftsbau sowie leichtere Bürotätigkeiten mit jeweils 80 Plätzen scheinen in Hamburg einen besonderen Bedarf zu haben.

Theorie und Praxis im Wechsel

Neben der zweiwöchigen Eingangsphase, in der die Eignung für einen Beruf festgestellt werden soll, folgt die Handlungsphase. Theorie und Praxis im gewünschten Berufsfeld stehen im Wechselmodus und werden im Laufe der 9 Monate stundenmäßig ansteigen. Dabei stehen Sprachförderung, soziale Kompetenzen, lebenspraktische Fertigkeiten wie Umgang mit Behörden, Umgang mit Geld, Hygiene, Tagesstruktur, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Einkauf, gesunde Lebensführung sowie die Organisation der Kinderbetreuung im Fokus. Betriebsbesichtigungen, Mathe, Deutsch, EDV-Grundlagen, Nutzung der „Jobbörse“ und Bewerbungstraining sind begleitende Module. Schlüsselkompetenzen wie Kommunikation, Umgang mit Konflikten, Stress und Zeitmanagement gelten als Vorbereitung zur betrieblichen Erprobung. Diese stellt nichts anderes dar, als ein vierwöchiges unentgeltliches Praktikum in einem Betrieb. Reale Bedingungen als kostenlose Arbeitskraft in einem Unternehmen, unter dem Decknamen: „Das bisher Gelernte zu erproben und Neues dazuzulernen“. Stehen Theorie und Praxis im Wechsel zueinander, ist es dem Träger freigestellt die Praxis, produktionsorientierte Tätigkeiten in einen Betrieb seiner Wahl auszulagern, sofern er es für sinnvoll hält. Dabei entstehende Einnahmeüberschüsse oder ein geldwerter Vorteil müssen von den Maßnahmekosten abgezogen werden. Für die Dauer der neun Monate erhält der Teilnehmer neben Fahrtkostenerstattung, welche jedoch vom Budget der Jobcenter abhängig ist und eine Ermessensausübung darstellt, auch notwendige Kinderbetreuungskosten zurück. Für Bewerbungen und Vorstellungen dürfen den Teilnehmern keine Kosten entstehen.

Der Beschäftigungsträger als privater Arbeitsvermittler

Neben den allgemeinen Vergütungen / Aufwandsentschädigungen für den Träger erhält dieser eine Vermittlungsprovision nach dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (§ 45 SGB III), sofern der Erwerbslose in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vermittelt wird. Diese erfolgt gemäß der allgemeinen Richtlinien nach einer sechswöchigen ununterbrochenen Dauer der Beschäftigung in Höhe von 1000 Euro und weiteren 1000 Euro, sofern die Beschäftigung mindestens sechs Monate ununterbrochen bestanden hat. Somit fungiert der Beschäftigungsträger ebenda als privater Arbeitsvermittler. Dieses gibt es bereits bei den ursprünglichen Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), sofern diese mit dem Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vermittelt werden.

Null-Euro-Jobs unter dem Deckmantel Soziales

Der Hamburger Senat, unter der Führung Detlef Scheele (SPD), verkauft kostenlose Arbeit als einen Teil des sozialen Arbeitsmarktes. Die Linke Hamburg spricht von „Zwangsarbeit“, da jedem, der diese Maßnahme nicht antritt, eine Sanktion (Geldkürzung) in Höhe von 117 Euro droht. Die Vorüberlegung, den Teilnehmern eine Entschädigung von 100 Euro zu bezahlen, was der derzeitigen freien Hinzuverdienstgrenze entspricht, ist in Vergessenheit geraten. Stattdessen findet ein Abbau der derzeitigen Ein-Euro-Jobs statt. Konnten hier die Teilnehmer bis rund 200 Euro dazuverdienen (abzüglich selbstzutragende Fahrtkosten), reduzieren sich diese von 3631 auf 2320 klassische Ein-Euro-Jobs im Jahr 2015. Die Differenz findet sich nun in den 512 Null-Euro-Jobs wieder.

Auffällig dabei ist die hohe Anzahl der Plätze in den Bereichen der Küche, Service sowie Garten- und Landschaftsbau. Dies sind Arbeitsplätze, die seit Jahren im oberen Ranking der Vermittlungswünsche der Bundesagentur für Arbeit stehen und durch ein Prekariat in der Bezahlung und Befristungen geprägt sind. Gerade Arbeitsplätze im Garten- und Landschaftsbau, ursprünglich durch die Kommunen besetzt, werden somit aus der Verantwortung der Kommunen gezogen und dem sogenannten sozialen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt: Auf Kosten der Erwerbslosen, zum Nutzen der Kommunenhaushalte. Selbst bei hohem sozialpädagogischen Ansatz und Einsatz der Mitarbeiter bei den Beschäftigungsträgern, stellen die Null-Euro-Jobs nichts anderes dar, als ein Ausdruck der Hilflosigkeit der derzeitigen Regierung und der exekutiven Behörden im Umgang mit Langzeiterwerbslosen.

Erwerbslose als Nullfaktor

Erwerbslose als Nullfaktor in einer realitätsfernen Situation, indem sie erfahren, dass ihre Arbeit nichts wert ist. Somit werden sie auch als Mensch und wird auch ihre Produktivität entwertet. Während die politischen Bestrebungen lauten, dass der arbeitende Mensch seinen Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen soll, rennen die Null-Euro-Jobs, aber auch die Ein-Euro-Jobs, dem genau entgegen. Null arbeiten mit Null Euro und Null Perspektive. So schreibt Jobcenter team.arbeit.hamburg in ihrem Leitbild[1]: „Wir unterstützen erwerbsfähige Leistungsberechtigte darin, ein Leben zu führen, welches der Würde des Menschen entspricht“. Ein falsch angesetzter Altruismus, der zum Egoismus mutiert, um das scheinbare soziale Denken in beschönigt klingende Statistiken zu transportieren. Die Würde eines Menschen ist unantastbar, nicht zu diskutieren und mit dem Wert der Arbeit zu verknüpfen. Das wird hiermit außer Kraft gesetzt und Menschen werden zu „Sklaven“ einer arbeitsmarktpolitischen Umsetzung, die die Würde mit Füßen tritt und im neoliberalen Gedankengut Unterstützung findet. Da helfen auch keine schlauen Leitsätze wie: „Zur schnellstmöglichsten Beendigung des Leistungsbezugs sind wir auf die aktive Mitwirkung unserer Kundinnen und Kunden angewiesen. Deren individuelle Aktivierung zur Selbsthilfe ist deshalb wichtiger Bestandteil unserer Unterstützungsleistungen. „Leistung und Gegenleistung“ bestimmen das gemeinsame Arbeitsbündnis mit unseren Kundinnen und Kunden.“ (Leitbild Jobcenter team.arbeit.hamburg). Man kann davon ausgehen, dass die meisten Leistungsberechtigten nach Arbeitslosengeld II durchaus zu einer Gegenleistung bereit wären, sofern sie tariflich bezahlt und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen würde. Das bringen die Null-Euro-Jobs bei weitem nicht. Parken ohne Parkschein und der Gefahr eines Strafzettels in Form von Sanktionen. Sinnvolle Qualifizierungen und tarifliche Arbeit sollten gefördert werden und nicht in aufgeweichte Beschäftigungsverhältnisse münden. Das Sklaventum ist abgeschafft und darf nicht hinterrücks eingeführt werden. Lobend bleibt zu erwähnen, dass sich vereinzelt Beschäftigungsträger weigern an der Ausschreibung teilzunehmen, um diese Geldmaschine, in Form des angeblichen sozialen Arbeitsmarktes, nicht zu unterstützen. Neben scharfer Kritik von Parteien sind nunmehr auch die Gewerkschaften gefordert.

 

Bild: clipdealer

[1] http://www.team-arbeit-hamburg.de/media/public/db/media/1/2012/06/168/jobcenterleitbild_210512.pdf



Kategorien:Arbeitsmarktpolitik, Hamburg, Jobcenter, team.arbeit.hamburg.

Schlagwörter:, , , ,

1 Antwort

Trackbacks

  1. Aufgelesen und kommentiert 2014-09-11 - Duckhome
  2. Sozialer Arbeitsmarkt unter dem Deckmantel Null-Euro-Jobs | Schnanky
  3. LabourNet Germany: Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch » Pilotprojekt in Hamburg: Senatsverwaltung will Null-Euro-Jobs bzw. offene Zwangsarbeit im SGB II
  4. Tezcatlipoca: Hamburg: Senatsverwaltung will Null-Euro-Jobs bzw. offene Zwangsarbeit im SGB II - Animexx.de