Kommentar
Als größter Arbeitgeber im öffentlichen Dienst mit rund 100.000 Mitarbeitern darf auch ein jährlicher Führungskongress der Bundesagentur für Arbeit nicht fehlen. Führungskräfte brauchen Ventile und Selbstbestätigung. Ein quasi bürokratischer Mechanismus, der die Selbstbeweihräucherung am Leben hält. Ausnahmen bestätigen die Regel. Als im Januar diesen Jahres ein Stuhlkreis mit rund 350 Führungskräften der Bundesagentur für Arbeit in Bonn stattfand, nutzte man das Netzwerk für weitere Vorträge von Google, Lufthansa, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie Arbeitsmarktexperten aus Tirol und Belgien. Selbstverständlich durften Reden des Vorstandes, des Verwaltungsrates und der Ministerin nicht fehlen. Mensch und Arbeit zusammenbringen, die Digitalisierung auf den Menschen herunterbrechen, die Geflüchteten in den Arbeitsmarkt integrieren und die Weichen für die künftige Arbeit der Bundesagentur für Arbeit zukunftsvisionär zu gestalten sind Herausforderungen, denen sich – hier mehrheitlich – Männer stellten. Mehr und mehr wurde deutlich, dass es hier nicht um eine kurzes Tête-à-tête geht, sondern um 48 Stunden Arbeitsmarktrettung. Führung im Zeitalter der Digitalisierung, Geflüchtetenpolitik und Langzeitarbeitslosigkeit sind keine Windböen, die sich entladen und dann vorüber sind. Es ist die Wirklichkeit, denen sich die Führungskräfte zu stellen haben und vor einem Roulette stehen, mit der Hoffnung, dass die richtige Zahl kommt.
Randstad als Quotenrenner
So kritisierte Annelie Buntenbach, DGB und Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit, das derzeitige Controlling- und Steuerungssystem und bemängelte die geringe Akzeptanz auf der MitarbeiterInnen-Ebene. Dass die Behörde mit Eingliederungszuschüssen die Leiharbeit unterstütze, wird in dem Moment interessant, als die Aussage kommt, dass von den Gesamt neun Millionen Euro an die Leiharbeit, alleine 7,1 Millionen Euro an die Firma Randstad floss. Das entspricht knapp 80 Prozent der Zuschüsse. Eine klare Bevorzugung der Firma Randstad durch die Bundesagentur für Arbeit ist deutlich erkennbar. Es wird oft gesagt, dass Etwas statistisch nicht erfasst werde. Insbesondere dann, wenn es unbequem werden könnte. Und so verwundert es umso mehr, dass der Verwaltungsrat mit Zahlen agiert, die in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage (Drs. 21/2454) an den Hamburger Senat geradezu noch verneint werden. Es ist im Sinn der Sache, wenn nicht allzu viel Wahrheit ans Tageslicht kommt. Könnte ja sein, dass die restlichen zwanzig Prozent der Leiharbeitsfirmen als Benachteiligte sich schlagartig ihren Anteil holen. Dieses setzt jedoch einen außerordentlichen arbeitsmarktpolitischen Aufschwung voraus. Und das ist schwer vorstellbar.
Mangelnder Kraftaufwand in der Gewerkschaftsspitze
Frank Bsirske (Vorsitzender ver.di) legte seinen Schwerpunkt auf die Geflüchteten und wies nochmals deutlich daraufhin, dass auch für Geflüchtete der Mindestlohn gelten müsse. Eine Gefahr der Konkurrenz zu deutschen ArbeitnehmerInnen sieht er als gering an und vertrat die Meinung, dass die Geflüchteten eher mit anderen Migranten um Arbeitsplätze konkurrieren werden. Der Hinweis auf die Mindestlohnausnahmen bei Langzeitarbeitslosen fehlte leider komplett. Vielleicht ist es wirklich eine Realitätsferne, wenn man davon träumt, dass sich eine Gewerkschaftsspitze für Erwerbslose einsetzt. In der gegenwärtigen Situation ist es ein gewerkschaftlicher fataler Fehler, sich nur auf die Arbeitnehmerschaft zu stürzen. Die Gewerkschaften brauchen mehr Kraft. Und diese ist nur durch mehr Respekt gegenüber Menschen zu gewinnen – auch gegenüber Erwerbslosen.
Alles neu macht der Mai – oder auch nicht
Durch den derzeitigen Vorstand der BA, Frank-Jürgen Weise kam nichts Neues hinzu. Es bleibt weiterhin beim Schwerpunkt von kurzzeitigen Erwerbslosen, die zügig in Arbeit zu vermitteln seien und damit der Fokus in der Arbeitsagentur und nicht in den Jobcentern liege. Ansonsten ist wie immer alles paletti – zumindest in der üblichen Wahrnehmung von Weise. Und wenn er noch so oft wiederholt, dass der Arbeitsmarkt gut dastehe. Das macht es nicht besser. Wer mit ständigem Leihpersonal auf dem Arbeitsmarkt jongliert, produziert nur einen Teufelskreis von minder bezahltem Personal und dem folgenden Frust erneut Antragsteller in seiner Behörde zu sein. Jeder weitere Eingliederungszuschuss, jede weitere sinnlose Maßnahme, jedes weitere Herausmanövrieren aus der Statistik ist ein weiterer Schritt des Misstrauens gegen die Arbeitsmarktpolitik und deren Gehabe. Und damit auch ein Misstrauen gegenüber dem Personal im Dienste der verschrobenen Politik.
Der Jo-Jo-Effekt in der Langzeitarbeitslosigkeit
Raimund Becker, ebenfalls Vorstandsmitglied, lobte das Jahr 2015. Stellte aber fest, dass der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit kaum funktioniere. Für 2016 sei das Kerngeschäft die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern und das Flüchtlingsmanagement auszubalancieren. Ein solches Statement dürfte einigen Führungskräften ein wohliges Kopfnicken bereitet haben. Galt doch schon immer der Wille und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Und doch ist es merkwürdig. Dass sie sich allerdings in einem Labyrinth befinden, schien wenigen aufzufallen. Ein Labyrinth, welches bereits sein zwölftes Lebensjahr feiert und die Langzeitarbeitslosigkeit in der Taille an Umfang zunimmt. Und bekanntlich führen Diäten zu einem Jo-Jo-Effekt. Folgt die Abnahme, folgt in doppelter Hinsicht die Zunahme.
Ach wie gut, das niemand weiß, dass ich Scheele heiß
Als Neuling im Vorstand gilt der ehemalige Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Er spricht von rund zusätzlichen 350.000 Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt. Ausgehend von derzeit rund 31 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und der guten Konjunktur sei die Vermittlung „machbar“. Die Hälfte der Geflüchteten erhält vermutlich eine Anerkennungsquote. Wenn Scheele allerdings von „fürsorglicher Belagerung“ der „Kunden“ in den Jobcentern spricht, wird einem Angst und Bange. Insbesondere dann, wenn das Jugendamt und die Familienhilfe involviert werden sollen. Scheeles Joker ist die persönliche Beratung und setzt diese nicht mit Vermittlung gleich. Das dürfte Kalkül sein, die Debatte um die erfolglosen Vermittlungen zu kaschieren. Allerdings gibt es ein starkes Argument dagegen. Es besagt, dass Menschen, die nicht unter Drohungen oder Existenzängsten agieren müssen, zumeist hohe Eigeninitiative zeigen. Fremdbestimmung missbraucht die Kraft der Menschen. Zeigte sich bereits in Hamburg, dass die umfangreiche Arbeitsmarktpolitik absolut nicht zu den Stärken des Ex-Sozialsenators gehörte und die Jobcenter eine gewisse Autonomie besitzen, scheint auch hier die hohe und stagnierende Arbeitslosenquote von Ausländern (Duktus BA – Statistik) kaum bekannt zu sein. Unabhängig von den Chancen einer erfolgreichen Vermittlung und Ethnologie bietet der derzeitige Arbeitsmarkt für kaum einen arbeitsuchenden Menschen eine wirkliche Aussicht auf eine sozialversicherungspflichtige Vollzeittätigkeit. Ausnahmen bestätigen die Regel, sofern man U30 ist, studiert, mehrjährige Berufserfahrungen mitbringt und nur den Mindestlohn fordert und dieses am besten noch befristet. Mit Holm Keller (Ex-Vizepräsident Leuphana-Universität Lüneburg), einer nicht umstrittenen Person und McKinsey als auch Bertelsmann erfahren, holt sich Scheele Unterstützung. Der Stab um Scheele baut sich auf, doch zu viele Köche verderben den Brei.
Kategorien:Arbeitsmarktpolitik, Bundesagentur für Arbeit
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