Arm bleibt arm!

Schild eines Obdachlosen

 

Kommentar

Unerwartet kommt der Armutsbericht des Paritätischen nicht. Noch weniger unerwartet die Meldung, dass demnach aktuell 12,5 Millionen Frauen, Männer und Kinder als arm gelten. Als hervorstechende Spitzengruppen verharren mit über 40 Prozent die Alleinerziehenden und mit knapp 60 Prozent die Erwerbslosen – seit 2006 mit ansteigender Tendenz. Eine ebenso bedrohliche Zunahme der Armut betrifft die Altersarmut, insbesondere unter den Rentnerinnen und Rentnern. Diese ist seit 2006 überproportional und zwar viermal so stark gewachsen. Somit gelten sie als traurige Spitzenreiter in der hiesigen Armutsentwicklung. Vielleicht mag die Empörung groß sein, zumindest stückweise medial. Bei den Betroffenen berechtigterweise sowieso. Aber über was wird tatsächlich diskutiert? Diskutiert wird darüber, ob Pfandflaschenringe an Mülleimer angebracht werden sollen. Diskutiert wird darüber, dass die Tafeln einen Rückgang von Ehrenamtlichen beklagen. Und diskutiert wird darüber, dass die Erwerbslosen zu wenig tun, um in Beschäftigung zu gelangen. Zynisch mag es klingen, wenn das Statistische Bundesamt dieser Tage vermeldet, dass es im vierten Quartal 2014 zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung mehr als 43 Millionen Erwerbstätige gab und somit im Vergleich zum vierten Quartal 2013 um ein Prozent stieg. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stellt gleichzeitig fest, dass immer mehr Frauen in Teilzeit arbeiten. So waren 2014 elf Millionen Frauen teilzeitbeschäftigt. Doppelt so viele wie 1991. Aber auch bei den Männern hat sich die Quote der Teilzeitbeschäftigung, aufgrund fehlender Vollzeitstellen, um das vierfache erhöht.

Mit der Agenda 2010, unter der Regierung von Schröder, kam die Verschärfung der Armut. Die Regierung unter Merkel schweigt und sitzt es aus. Schlimmer noch: Sie unterdrückt die eigentliche Debatte um die fehlenden Arbeitsplätze, die steigende Armut und die rasant kommende Altersarmut. Zwar werden aktuell Milliarden für Beschäftigungstherapien von Erwerbslosen ausgegeben, aber eine tatsächliche Diskussion einer Umverteilung von Vermögen und Arbeitszeiten findet nicht statt. Stattdessen wird damit argumentiert, dass eine gute Konjunktur und ein Exportboom Wohlstand bringe. Nur leider kommt dieser Wohlstand bei den Falschen an. Mit ständigen Lohnsubventionierungen des Niedriglohnsektors über Eingliederungszuschüsse an die Zeit- und Leiharbeit und Unternehmen, die dieses System für sich legitimiert nutzen, wurde ein Drehtüreffekt geschaffen, der Menschen benutzt, ausnutzt und verbraucht.

Wir brauchen keine Diskussionen um Pfandflaschenringe oder ähnliches. Benötigt wird eine Diskussion mit Gewerkschaften, Verbänden, Kirchen und Betroffenen, dass Tafeln und Pfandflaschenringe das derzeitige System zementieren und die Verantwortung des Staates an diese komplett abgegeben wurden. Es ist traurig genug, dass die Tafeln an ihre Kapazität gelangt sind und diese die Not vieler Menschen minimal auffangen und gleichzeitig vom derzeitigen System partizipieren. Diskutiert werden muss über einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, Arbeitszeitverteilung und –verkürzung, politischen Kurswechsel, repressionsfreie Mindestsicherung und Erhöhung dieser sowie über das Bedingungslose Grundeinkommen. Deutschland ist gespalten und die Armut wurde verstärkt. Eine soziale Gerechtigkeit wurde mit der Agenda 2010 de facto abgeschafft.

Der Paritätische Hamburg – Armut in Hamburg auf Höchststand 

 

 

 

 



Kategorien:Arbeitsmarktpolitik, Armut

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