Für Aufregung in den sozialen Netzwerken sorgt aktuell der Bericht von „Plusminus“ dieser Tage. Dabei sticht besonders das Thema Sanktionen (Geldkürzungen) und die Aussagen durch die Bundesagentur für Arbeit hervor. So spricht die Pressereferentin Anja Huth davon, dass es keinerlei Vorgaben für Sanktionsquoten gäbe, was auch völlig irrig sei. Auch haben sie kein Interesse daran viele Sanktionen zu verhängen. „Plusminus“ kontert mit einer Mail aus einem Jobcenter, in der jedoch die zu geringe Sanktionsquote kritisiert wird. Ist dieses nun ein Beleg dafür, dass es doch eine vorgeschrieben Qoute gibt? Oder besteht ein Missverständnis zwischen dem gesagten Wort und dem geschriebenen Wort?
Die Bundesagentur für Arbeit arbeitet bekanntlich mit einem Zielsystem, welches stückweise durch den Bundesrechnungshof stark kritisiert wurde. Im vergangenen Jahr umfasste dieses die sogenannten gemeinsamen Steuerungsziele sowie die spezifischen Qualitätskennzahlen. Darunter fallen primär die Senkung des Arbeitslosengeldes II, das erfolgreiche Vermitteln in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Vermeidung vom längeren Arbeitslosengeldbezug. Für das ausgeklügelte Controllingsystem der BA, welches Milliarden an Geldern zu verwalten hat, ist das natürlich zu wenig. So werden u.a. weitere Faktoren wie Ausgaben für Mietkosten, Anzahl, Zugänge und Abgänge der Erwerbslosen, Eintritte in Minijobs oder öffentlich geförderte Beschäftigung mit erfasst. Aufstocker, durchschnittliche Maßnahmekosten pro Erwerbsloser und die Sanktionsquote finden sich unter „Weiteres“.
Ein Blick in die Kennzahl „Sanktionsquote“ der Metadaten Controlling SGB II führt zunächst in die Zielsetzung und Nutzen. Hierbei gilt der Grundsatz des „Forderns und Förderns“, wobei das Erstere nur durch die konsequente Anwendung der Sanktionsvorschriften erfüllt werden kann, so die BA. Ihre Daten beziehen sie dabei aus der integrierten Statistik des Leistungssystems „A2LL“ sowie aus dem Programm „xsozial 4.2.0“. Diese Programme dienen zur Darstellung der Sanktionsquoten von arbeitslosen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit mindestens einer Sanktion. Zu finden ist die Kennzahl „Sanktionsquote“ unter dem Punkt „Verringerung der Hilfebedürftigkeit“.
Auf ihrer neuen Facebook Präsenz „Das bringt mich weiter“ konfrontiert ein Facebook Nutzer die BA damit, dass die Pressereferentin Huth die Sanktionsquote verneint. „Sophie“, als Admin bestätigt, dass es keine Vorgaben oder Ziele für Sanktionen in den Jobcenter gäbe. Auch werden die Mitarbeiter nicht nach der Anzahl der verhängten Sanktionen beurteilt. (…) Weiterhin wird erwähnt, dass bei der Zielkennzahl „Veränderung der Ausgaben für das Arbeitslosengeld II“ die Sanktionen nicht berücksichtigt werden, sondern der volle Regelsatz als Basis diene.
In den internen Arbeitshilfen zu Sanktionen wird dieses mit den Worten: „Sanktionen nach den §§ 31 bis 32 SGB II verfolgen nicht den Zweck, Leistungen einzusparen; sie wirken sich auch nicht auf das geschäftspolitische Ziel „Verringerung der Hilfebedürftigkeit““ formuliert.
Nun lassen sich zwei Darstellungen finden: auf der einen Seite arbeitet die BA im Rahmen der Statistikerfassung von Sanktionen unter der Kennzahl „Verringerung der Hilfebedürftigkeit“, auf der anderen Seite wirken sich diese Zahlen nicht als geschäftspolitisches Ziel innerhalb der „Verringung der Hilfebedürftigkeit“ aus, so „Sophie“.
Telefonische Anfragen bei Geschäftsführungen eines Jobcenters in Nordrhein-Westfalen und im Osten ergaben die Aussagen, dass die Sanktionsquoten statistisch erfasst werden, jedoch keine festgesetzte Quote erreicht werden müsse. Allerdings bestätigten beide Jobcenter, dass sie in regelmäßigen Abständen bei Geschäftsführersitzungen Rechenschaft über ihre Quote ablegen müssen und bei niedrigen Quoten eine mündliche „Rüge“ erhielten, wenn die Quote zu niedrig sei. Es folgt der Zeigefinger, dass eventuell nicht konsequent auf die Sanktionsregelungen geachtet werde.
Nun denke ich, ist es an der Zeit, dass die Bundesagentur für Arbeit, ohne Hilfe des Bundesrechnungshofs, öffentlich und transparent darstellt, wie es sich um die Sanktionsquote real verhält. Auch sollte dargestellt werden, inwiefern die mediale Quote die tatsächlichen Erwerbslosen betrifft. Welche Quote wird medial verkündet? Ist es nur die Quote von tatsächlichen internen arbeitslos gemeldeten Leistungsberechtigten, analog der Arbeitslosenstatistik, oder auch die Quote der arbeitssuchenden Gemeldeten? Ein Blick in die Maßstäbe (Measure) der Kennzahl könnte vermuten lassen, dass die Arbeitssuchenden, also Erwerbslose in Maßnahmen, Erziehungszeit, Pflege von Angehörigen, Aufstocker, Arbeitsunfähigkeit nicht explizit gezählt werden. Diese können jedoch ebenso sanktioniert werden.
Könnte es somit sein, dass die eigentliche Quote der Sanktionen höher ausfällt, als bisher bekannt? Fragen über Fragen, die zur berechtigten Unsicherheit bei den Erwerbslosen und den Interessierten führt.
Legende:
eLB: erwerbsfähige Leistungsberechtigte
LfU: Leistungen für Unterkunft
LLU: Leistungen zum Lebensunterhalt
LUH: Leistungen für Unterkunft und Heizung
alo: arbeitslos
alo VJ: arbeitslos Vorjahr
alo VJ Diff: arbeitslos Vorjahr Differenz
Regell: Regelleistung
JFW: Jahresfortschrittwert
Quellen: jeweils blau im Text als Link hinterlegt
„Plusminus“ – YouTube; Zielvereinbarung zwischen BMAS und Bundesagentur für Arbeit – Harald Thomé; xsozial – Bundesagentur für Arbeit; A2LL – Wikipedia; Facebook „Das bringt mich weiter“ vom 10. Januar 2014
Weiterführende Infos zu Kennzahlen BA finden sich hier
Kategorien:Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter
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