Gegensätze ziehen sich nicht an – Maischberger – Wer ist der Dumme?

Menschen prallen aufeinander. So auch in der Maischberger Sendung „Wer arbeitet, ist der Dumme?“ vom 4. Dezember. Die Linken auf die CDU, ein Hartzer auf eine Niedriglohnarbeitende, ein Vorstand der Bundesagentur für Arbeit auf eine Blattgold-Unternehmerin. Ausgewählter kann es nicht sein. Und die goldene Mitte repräsentiert eine Moderatorin, welche ab und an ihre Stimme erhob, um ständig unterbrechende Schwarzpolitiker zu stoppen. Wäre das eigentliche Thema nicht so ernst, kann diese Sendung durchaus als das Ohnsorg-Theater aus Köln bezeichnet werden.

Nun ein paar persönliche Worte an die Beteiligten: alphabetisch sortiert.

Sehr geehrter Herr Alt

Ihre Funktion der Bundesagentur für Arbeit wird als Vorstand bezeichnet. Als Vorstand einer Behörde, welche die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland kompetent gestalten sollte. Sicherlich ist mir die These bekannt: je höher, desto weiter weg vom Tagesgeschehen. Ihr Tagesgeschehen ist u.a. die Umsetzung der Sozialgesetzbücher (SGB). Neben dem Buch Nummer drei für „frische“Arbeitslose, auch das Buch Nummer zwei. Also damit die Standardlektüre aller Leistungsempfänger von Arbeitslosengeld II und Mitarbeiter der Jobcenter. Salopp gesagt: Die „Hartzer“. Die Paragraphen 31 ff erzählen die Geschichte der Sanktionen und deren Anwendung. Eine Geschichte, die Ihnen zumindest ansatzweise bekannt sein sollte. Und daran zweifle ich gerade. Aus der Geschichte produzierten Sie nämlich ein neues Märchenbuch. Ihre Aussage: (…) „Wir können aber nur eine Sanktion in einem Quartal verhängen.“ (…). Und hier definiert das SGB II §31 a (1) ff so ein bisschen anders. Demnach mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent (…). Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach §31 mindert sich das Arbeitslosengeld II um 60 Prozent (…). Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach §31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. Usw. Usw. Selbst wenn das SGB II rückwärts gelesen werden sollte, findet sich kein Hinweis auf Ihre getätigte Aussage.
Mein Fazit: Setzen. Sechs. Und das SGB II lesen.

Sehr geehrter Herr Boes

Gratulation! Sie haben sich trotz der vielen versuchten Unterbrechungen Ihrer Ausführungen tapfer geschlagen. Allerdings frage ich mich, ob ein Schneidersitz in Strümpfen nötig getan hat. Die Körpersprache hinterlässt zumeist einen ersten Eindruck. Ebenso wertvoll wie der letzte Eindruck. Der Mensch sieht insbesondere im Fernsehen das Visuelle bevor das Gehörte aufgenommen und verstanden wird. Leider kam in meinen Augen Ihr eigentliches Ziel die Würde des Menschen ist unantastbar und die Verfassungswidrigkeit von Hartz IV zu wenig an die Front. Überschlagen behaupte ich jedoch mal, dass Ihre Redezeit alle übertroffen hat. Und der Mensch zehrt von Wiederholungen, Wiederholungen, Wiederholungen.

Sehr geehrte Frau Kipping

Vielen Dank, dass Sie einen erneuten Versuch gestartet haben, Ehrenamt, Kindererziehung und Nicht-Profitorientierte Erwerbstätigkeit auf ein Treppchen zu stellen. Leider war es nur ein Treppchen. Ein Treppchen, welche durch das profitgierige Denken und Überzeugung der Opposition nieder geredet wurde. Ihre praktischen Beispiele, wie das Unkrautjäten im Winter erfrischte die Sendung und das kommerzielle Gedankengut unterbrach es zumindest für ein paar Sekunden. Ihre Sprache war gut zu verstehen – einfach, korrekt und fast schon wage ich zu behaupten: Bürgernah. Allerdings wissen wir nun noch immer nicht, was einen gerechten Lohn darstellt. Aber macht nichts – die nächste Sendung kommt bestimmt und ich freue mich auf Sie!

Sehr geehrte Frau Muth

„Ob wir das wirklich brauchen, sei dahingestellt.“ Ob wir tatsächlich Gold in unserer Creme brauchen, frage ich mich auch seit diesem Dienstag. Es lässt mir keine Ruh. So wird über Ehrenamt, Niedriglohn, Existenzängste, Grundeinkommen geredet und Sie „verkaufen“ Gold und Kaviar in Cremes. Und das vermutlich für Menschen, die von Hartz IV noch nie wirklich was gehört haben. Denen jedoch Botox, roter Teppich und der VIP-Status oder IT-Girl mehr sagen, als SGB II, Alg II, Ein-Euro-Jobs, Lebensmittelgutscheine oder drohende Obdachlosigkeit. Setzen. Sechs. Unnötig.

Sehr geehrte Frau Ralfs

Wer sind Sie wirklich? Eine Reinigungsfachkraft mit 8,82 Euro brutto Stundenlohn beim täglichen Zehn-Stunden-Tag. Und spätestens nun rechne ich: Angenommen Sie arbeiten, wie gesagt, tatsächlich rund 10 Stunden am Tag, sind dieses 88,20 Euro pro Tag. Multipliziere ich dieses mit rund 20 Arbeitstagen, erhalte ich eine Gesamtsumme von 1764 Euro brutto. Nehme ich einen Gehaltsrechner zur Hilfe erhalten Sie bei einer Steuerklasse 3 und Kinderfreibetrag 1 rund 1395 Euro netto. Sie erinnern sich: „Sie möchten Ihren Kindern ein Vorbild sein“. Kinder = Plural = Kinderfreibetrag = 1.
Eventuell sind Sie verheiratet. Steuerklasse 4, Kinderfreibetrag 1. Nettolohn rund 1230 Euro.
Eventuell sind Sie verheiratet, Steuerklasse 5, Kinderfreibetrag 1. Nettolohn rund 984 Euro.
Eventuell sind Sie ledig, ohne Kinder (da Kinder zu alt), Steuerklasse 1. Nettolohn rund 1232 Euro.
Und dieses bei zehn Stunden und einer 5-tages Woche. Erlaubt sind nach Gesetz jedoch zumeist nur 8 Stunden pro Tag. Und nur in Ausnahmefällen darf bis zu 10 Stunden gearbeitet werden. Bei acht Stunden pro Tag, erhalte ich eine Bruttosumme von rund 1411 Euro im Monat. Ergo: Netto noch weniger als oben berechnet.
Ehrliche Meinung? Mir erschließt sich aus diesen Berechnungen gar nichts. Entweder Sie haben zu Hause noch einen Gönner, oder keine Kinder, welche mit auf der Lohnsteuerkarte sind oder Sie erhalten Geldleistungen als Medienpräsenz. Oder vielleicht doch aufstockend Hartz IV? Diesen Anspruch hätten Sie vermutlich.
Trotzdem sehr mutig, diesen Surrealismus zu vertreten.

Sehr geehrter Herr Söder

Eine schwarze Wolke zieht auf. Und Erziehungsarbeit ist Arbeit. Als Ehefrau hätte ich Ihnen zuhause erst mal die Leviten gelesen. Vielleicht sollte die Kindererziehung mal in Stunden abgerechnet werden. Sie werden erstaunt sein, wie viele Stunden dabei aufgebracht werden. Nein, rechnen Sie nicht. Es ist ganz einfach: 365 Tage x 24 Stunden = 8760 Stunden im Jahr. Das schafft nicht mal eine Bundeskanzlerin. Ach ja, die Erwirtschaftung von Profit. Ergebnis = 0. Kinder bringen kein Geld, sie kosten Geld. Elementare gesellschaftliche Werte wie Sozialdenken, Lebendigkeit, Ökonomie, Normen, Freude, Spannung, Entwicklung und lachende Kinderaugen. Diese lassen wir mal ruhig beiseite. „Es muss etwas erwirtschaftet werden.“ In diesem Sinne: Auf dem Sofa in einer Talkshow sitzen, bringt nichts Bares. Sie erwirtschafteten einen Verlust von rund 85 Euro. Sofern Sie, wie Ihre Frau 8760 Stunden im Jahr arbeiten. Je weniger Sie arbeiten, desto höher wäre der Dienstag-Verlust. Aber dieses erspare ich zu unserem Gemeinwohl den Bloglesern. Besser ist besser.

In diesem Sinne. Grundeinkommen, Vollbeschäftigung, Arbeitslosenquote, Sanktionen, Existenzberechtigung, Hartz IV – von allem ein bisschen, von keinem etwas mehr.



Kategorien:Jobcenter, Maischberger

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  1. Reblogged this on Rund um den Kabinettstisch und kommentierte:
    Die Lösung auf das ProblemArmut wurde zwar noch nicht gefunden, dafür aber die Fernsehsender Themen für Talkshows. Immerhin.

  2. Skandal, Skandal! Schön, werte Bild-Macher. Nun haben Sie endlich wieder Schlagzeilen, um auch über die besinnliche Vorweihnachtszeit um jeden Preis Ihre Tätigkeit zu finanzieren. – Da ist es in Bus und Bahn gesundheits- ja manchmal sogar lebensgefährdend, wenn man gegenüber gewissen Gruppen von „Lümmeln“ Bemerkungen von wegen Schuhen auf dem Polster macht, und Sie erregen sich über einen Menschen im Yoga-Sitz auf Frau Maischbergers Sofa! Waren die Füße oder gar die Socken nicht gewaschen? Die Schuhe blieben ja auf dem Boden. Roter Schal? Ach wären doch die Socken erkennbar rot gewesen. Dann hätten Sie an alten Kampagnen anknüpfen können. – Apropos Yoga: Ob Frau Muth ihr Aussehen den eigenen Produkten verdankt oder eher der ein oder anderen Übung, die man von dort als Fitnesstraining übernommen hat? Yoga ist jedenfalls ebenso empfehlenswert für Entspannung, Ruhe und Klärung der eigenen Gedanken. Zudem ist es billiger als Edelmetall und Kaviar auf der Haut. Krimsekt ist bestimmt zu klebrig dafür.
    Übrigens: Kann sich irgendjemand vorstellen, Frau Muth oder Frau Ralfs in Weihnachtsmann-Montur auf Kinder loszulassen?

  3. Hier ist ein interessantes Video über die Aktion von Ralph Boes:

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